Ann war schon ein Jahr in Finnland und Australien gewesen, als sie sich überlegte im Sommer 2015 die Monate vor Beginn ihres Studiums als Au Pair in Frankreich zu verbringen.
Sie fand eine Familie, die in einem kleinen Ort in der Nähe von Bordeaux wohnte. Es war eine sogenannte “Patchwork Familie”. Die Kinder die sie betreute waren im Alter von: 3, 8, 10, 11 und 14 Jahren.
Wie bist du auf die Idee gekommen Au Pair zu sein?
Ich habe mir das schon überlegt als ich in Australien war. Ich wollte das gerne machen, weil ich schon in meinem freiwilligen sozialen Jahr in Finnland mit Kindern mit Behinderungen gearbeitet habe. Auch vorher hatte ich schon ein Praktikum im Kindergarten gemacht und wußte, dass mir die Arbeit mit Menschen und im besonderen mit Kindern sehr gefällt.
Warum Frankreich?
Dadurch dass ich schon vorher ein Jahr in Finnland und ein weiteres Jahr in Australien war, hatte ich mein Englisch schon so verbessert, dass es keinen Grund gab in ein englischsprachiges Land zu gehen.
In der Schule habe ich mich wegen meiner Legasthenie irgendwie nie so richtig an Französisch rangetraut und auch meine Lehrer haben mich da leider nicht unterstützt. Mir wurde immer gesagt: “Das wirst du wegen der Legasthenie nicht lernen können. Probier es gar nicht erst.”
Dann habe ich aber mit der Zeit so einige Franzosen hier und da kennengelernt und wollte einfach ausprobieren, ob es nicht doch geht.
Wie hast du deine Gastfamilie gefunden?
Über die Agentur Dr. Mona Lietz.
Wie war dein Tagesablauf?
Das ist schwierig zu sagen, denn es waren ja Sommerferien und somit war nicht ein Tag wie der andere. Je nachdem was für Aktivitäten geplant waren, hatte ich mal 4 und manchmal auch nur 1 Kind zu Hause. Im Schnitt waren es aber immer so 2-3 Kinder.
Ich versuch aber trotzdem Mal den Ablauf zu schildern: Ich bin morgens ca. um 8 Uhr aufgestanden, dann habe ich mich zunächst Mal um den Kleinsten gekümmert. Meine Gasteltern sind dann zur Arbeit gegangen. Wir haben dann meistens zusammen gespielt. Oft habe ich Mittagessen gemacht, aber nicht immer. Das haben wir von Tag zu Tag entschieden. Die Mutter ist meistens mittags nach Hause gekommen, so dass ich eine kleine Mittagspause hatte. Danach hat der Kleine eine Schlafpause gemacht.
Nachmittags bis zum frühen Abend war ich dann wieder für die Kinderbetreuung zuständig bis einer der beiden Eltern wieder gekommen ist.
Hattest du viele Au Pair Freunde?
Die Agentur hat mir eine Liste von Mädels gegeben, die in meiner Nähe wohnen, die habe ich aber nicht kontaktiert, weil ich 1. wenig Freizeit hatte, 2. Nur 2 Monate dort war und 3. die Verkehrsanbindung in dem Ort so schlecht war, dass ich kaum irgendwo hinkonnte. Wäre ich aber länger geblieben, dann hätte ich auf jeden Fall andere Au Pairs kontaktiert.
Dadurch das ich relativ lange Arbeitszeiten hatte, brauchte ich meine freien Tage dann auch einfach, um mich mal zu entspannen oder einfach ein bisschen Zeit für mich zu haben.
Als du in deine Au Pair Zeit gestartet bist- war dir bewusst, wie abgelegen der Ort war?
Nein, nicht wirklich. Ich habe mir dazu ehrlich gesagt nicht so viele Gedanken gemacht, weil es halt nur so eine kurze Zeit war auf die ich mich einließ.
Ich habe mich recht spät um eine Au Pair Stelle bemüht und mein Ziel war es zu sehen, wieviel Französisch ich in der kurzen Zeit lernen kann. Die Sprache war mir wichtiger als mir den Ort genau anzusehen.
Warst du in der Lage dein Französisch in der kurzen Zeit zu verbessern?
Bevor ich angereist bin, habe ich mir einen Ponds Sprachkurs gekauft, den ich als Vorbereitung durchgearbeitet habe. Das war ein Buch und ich konnte Online Lektionen bearbeiten. Das war ein 4 Wochen Kompaktkurs.
Als ich dann vor Ort war, habe ich zunächst mal angefangen die Kinderbücher zu lesen.
Mein Französisch hat sich in der Zeit wahnsinnig verbessert, aber natürlich würde ich jetzt noch nicht sagen, dass es perfekt ist oder so gut wie mein Englisch. Aber ich habe eine Hürde überwunden und spreche einfach, auch wenn ich nicht alles von der Sprache weiß. Ich weiß, dass ich noch Fehler mache, aber ich habe keine Angst mehr davor. Das ist ganz normal am Anfang Fehler zu machen und das nimmt dir auch keiner Übel, aber man muss sich einfach überwinden trotzdem zu sprechen.
Was mir der Aufenthalt außerdem gebracht hat, ist, dass ich jetzt selbstbewusst genug bin, mich für ein Auslandssemester in Frankreich zu bewerben. Dort werde ich dann weiter an meinen Sprachkenntnissen arbeiten.
Hast du auch deine Freizeit mit der Familie verbracht?
Ja, aber nicht ausschließlich. Ich bin zum Beispiel oft joggen gegangen oder mit dem Bus in den nächsten Ort gefahren.
Zum Ende meiner Au Pair Zeit muss ich sagen, habe ich mich relativ viel zurückgezogen, was von der Familie nicht so ganz verstanden wurde, aber es war einfach immer ziemlich viel Trubel mit 5 Kindern und dann teilweise noch Oma und Opa im Haus. Da brauchte ich nach einem langen Tag oder einer langen Woche auch einfach mal Zeit für mich alleine.
Was würdest du im Nachhinein anders machen, wenn du nochmal Au Pair wärst?
Ich würde eine längere Au Pair Zeit planen.
Ich war mit der Familiensuche etwas spät dran und habe mich deshalb für eine Familie entschieden, die mir gar nicht zu 100% zugesagt hat, aber ich wollte einfach nach Frankreich.Wenn ich es nochmal machen würde, dann würde ich der ganzen Sache mehr Vorlauf geben und mehr Zeit in die Planung investieren.
Ich wäre auch lieber in einer großen Stadt gewesen, aber in den Sommermonaten sind die Familienvorschläge überwiegend im Süden von Frankreich und in kleinen Orten. Zumindest bei meiner Agentur.
Was sind die Top Dinge, die du aus deiner Au Pair Zeit gelernt hast?
- Ich kann Französisch und meine Lehrer aus der Schule hatten unrecht. Man sollte sich selber einfach keine Grenzen setzen und einfach ausprobieren.
- Selbst wenn man keine Vorlaufzeit hat, sollte man es einfach probieren. Es gibt immer Familien, die gerade jemanden suchen. Es ist auf jeden Fall eine schöne Art seinen Sommer zu verbringen. Das war mir vorher auch gar nicht so bewusst, dass man das auch nur für so eine kurze Zeit machen kann. Dann hat man auch die “Au Pair Erfahrung” schonmal gemacht und kann sich überlegen, ob man das nochmal für einen längeren Zeitraum machen will. Oder ob man vielleicht im nächsten Sommer nochmal zur gleichen Familie geht.
- Ich habe viel über Kinder in ihren verschiedenen Altersgruppen gelernt. Das war wirklich sehr schön. Ich hab ja vorher schon mit Kindern gearbeitet, aber nicht mit kleinen Kindern und da hatte ich noch ein paar Vorbehalte und war mir nicht sicher, ob das nun wirklich mein Ding ist und das hat sich gelegt. Ich fange jetzt sogar als Tanzlehrerin für 1 1/2 bis 3 jährige an. Das hätte ich mir vorher gar nicht zugetraut. Man kann wirklich eine ganze Menge aus dieser Zeit mitnehmen.
Was war dein schönstes Au Pair Erlebnis?
Da gab es so einige:
- Meine Gastfamilie hatte einen Pool, dass heisst, jede Pause, die ich hatte, konnte ich im Pool verbringen.
- Die Schwester von meiner Gastmutter hat eine Bäckerei und deshalb gab es fast jeden Tag frisches französisches Gebäck.
- Der Vater war Koch, hat zwischendurch auch mal für uns alle gekocht. Die Familie hat generell Wert auf gutes Essen gelegt und das war einfach super.
- Außerdem fand ich es sehr schön, dass die Großeltern zu Besuch waren, denn die haben sich auch mit mir hingesetzt und haben mich sehr nett aufgenommen. Das hat mich sehr gefreut.
Was ist dein Top Tip für angehende Au Pairs?
Take it easy! Einfach nicht so viel Angst haben und die Dinge laufen lassen. Einfach mal einen Gang runter zu schalten und neue Dinge auszuprobieren. Man kann viel mehr als man denkt. Ich hätte zum Beispiel vorher auch nicht gedacht, dass ich 5 Kinder unter Kontrolle halten kann.
Hattest du Heimweh?
Es war ja eine relativ kurze Zeit und ich war davor auch schon eine ganze Weile aus Deutschland weg, deshalb war das im Grunde nicht vorhanden. Am Ende habe ich dann gesagt: “Ok, jetzt wird mir die Familie ein bisschen zuviel. Jetzt ist es gut, dass ich gehe, aber Heimweh hatte ich eigentlich nicht.”
Hattest du mit Kulturschock zu tun?
Ich war ja vorher in Asien, Australien, Finnland, deshalb konnte mich eigentlich nichts mehr umhauen. Natürlich sind Dinge anders, aber als Schock würde ich es nicht beschreiben.
Was empfindest du als schwierig im Au Pair Job?
- Das schwierigste war für mich das es Missverständnisse gab, weil ich die Sprache nunmal einfach noch nicht perfekt spreche. Und mit diesen Situationen umzugehen ist manchmal nicht so ganz einfach. Das darf man nicht unterschätzen. Da muß man sich auch keine riesigen Sorgen machen, aber es wird halt passieren.
- Auf Kinder aufzupassen, wenn die Eltern da sind. Das untergräbt einfach komplett die Autorität.
Würdest du empfehlen Au Pair zu sein?
Ich finde es auf jeden Fall empfehlenswert. Einfach weil man eine andere Kultur kennenlernt, eine andere Sprache, man sieht wie Dinge in einer anderen Familie gehandhabt werden.
Ich denke, dass es durchaus interessant ist, mal diese Position als “objektiver Außenseiter” in einer Familie zu haben. Man kann sich überlegen wie man später seine eigenen Kinder erziehen möchte oder wie man sie auch nicht erziehen möchte.
Außerdem merkt man, was für eine Aufgabe und was für eine Verantwortung Eltern haben. Manchmal kann man auch reflektieren, wie das bei einem selber in der Kindheit war und kann sich dann auf einmal besser in die Lage der eigenen Eltern versetzen, was als Kind nicht möglich war.
Für viele ist es auch ein guter Start, wenn man ins Ausland möchte, aber noch nie im Ausland war. Denn im besten Fall hat man immer jemanden an seiner Seite. Beim “Rucksackreisen” ist man doch eher auf sich allein gestellt. Als Au Pair hat man im besten Fall die Familie als Unterstützung, einen Ansprechpartner von der Agentur und vielleicht noch andere Au Pair Freunde.
Es ist auch ein guter Einstieg, wenn man danach noch alleine reisen möchte, denn so kann man sich erstmal einleben, die Sprache lernen und sich dann auf die Reise besser vorbereiten.
Wenn du auch Au Pair bist oder warst, dann werde Teil der Interviewserie! Schreibe mir über das “Kontakt” Formular und ich melde mich umgehen bei dir!